Donnerstag, 1. Juni 2017
1 001 423 SCHRITTE
1. Juni - Schlusswort


Nach dem tollen Frühstück in der Albergue tippelte ich nochmal an den Strand um ein paar Steinchen mitzunehmen in die Heimat.
Die Fischer luden ihren Fang aus und tranken ein Schnäpschen nach der Nachtschicht. Wenn ich hier leben würde, hätte ich genau DIESEN Job.
Ein Berliner sagte gestern Abend: "Die armen Schweine verdienen doch nichts mit ihrer Fischerei."
Doch Sie sind 100 mal zufriedener als wir!! Das ist das Wesentliche.
Was soll man von einer Berliner Großfresse anderes erwarten.
10.00 Uhr fuhr auch ein Bus, den ich gleich nahm. So werde ich Mittags in Santiago sein. Das Wetter wird wieder schlechter und die Sonne macht sich rar.
Überhaupt hatte ich auf dem ganzen Weg wettertechnisch einen Schutzengel.
Da habe ich von anderen Pilgern extremere Erlebnisse gehört.
Diesen Weg würde ich als Therapie jedem Politiker, allen Bankern und Börsengurus und so manchem Firmenchef verschreiben. Aber mit 25 Kilo Gepäck und persönlichen Treibern.
Es würde ihre Köpfe frei machen und den Fokus auf das Wesentliche richten.
Auf menschliche Werte, die immer mehr verkommen im Sumpf.
Miteinander, Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Achtung, Toleranz und Akzeptanz. Dankbarkeit, Gerechtigkeit und einfach mal ZUHÖREN!!
Alles Dinge, die jeder Pilger auf dem Camino sucht. Die digitale Welt frißt die Seele und die Liebe der Menschen. Alles was uns als Mensch auszeichnet. Wir vereinsamen zusehends.
Religiöse Gründe haben die Wenigsten, die sich auf diesen Weg machen. Es sind Menschen aus aller Herren Länder, die das GLEICHE suchen. Gemeinschaft. Man hilft sich gegenseitig und kommuniziert miteinander. Man trifft sich nach Tagen der Entbehrung und umarmt sich. Jeder hat seine eigenen Leiden und Wehwehchen. Das ist der Camino.
Man muss dafür keiner Glaubensrichtung angehören.
Eigentlich hat das ja olle Jesus schon gepredigt. Wenn wir diese WELTKARRE
nicht in den Dreck fahren wollen, müssten wir uns an seine Sache halten. Doch wir sind einfach zu blöd, zu gierig, zu neidisch , zu geizig und nicht ehrlich zu uns selbst.
Er hatte mit seinen Aposteln wunderbare Walhelfer und Werbeträger, doch was wir daraus gemacht haben, ist beschämend.
Buddha und ER würden sich heutzutage die Haare raufen, was hier so abgeht.

Ich habe Spanien mit über einer Million Schritte zu Fuß erkundet und in mein Herz geschlossen. Hier interessiert es keinen, was du für ein Auto fährst, oder wie groß dein Anwesen ist. Hier wird nicht jeder Grashalm in Euro umgerechnet.
Das tut sehr gut. Sie sind nicht so laut und haben einfach mehr Freude am Leben.

Laufen ist die älteste und natürlichste Sportart der Menschheit. Sie macht den Kopf frei, verdrängt den Hunger und lässt den Körper zufriedener sein. Man müsste dieses Unterrichtsfach "LOOFEN" auch in unseren Schulen einführen. Mit 80 Kilo Gepäck natürlich ;-)

So, ich werde nochmal zur Kathedrale loofen und kieken, ob ich olle Julio aus Rom noch antreffe.
Was ein Zufall. Gabriel aus Mexico war sogar da.

Wenn aus diesen Zeilen ein Büchlein wird, bekommt ihr Bescheid. Wenn es euch gefallen hat mich zu begleiten, lasst es mich wissen. Es geht auch per Mail:
g.paegert@gmx.de
Ich freue mich über jeden Kommentar.
Für mich ist der Camino nun zu Ende. Vielleicht habe ich euch ja auch animiert, einfach mal zu laufen. Es muss ja nicht der Jacobsweg sein.
Es tut jedenfalls gut.
"EL CAMINO PROVEERÁ!"

Machts Juuuut, Nachbarn!!

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Mittwoch, 31. Mai 2017
DIE GEILSTE NACHT!!
31.5. - Endlich Sonne satt

Das ist also das Ende der Welt. Ich sehe die Pilger im 12. Jahrhundert vor mir, wie sie nieder kniend zum Horizont blicken und sich bedanken, es bis hierher geschafft zu haben.

Kniend ging bei mir nicht, doch ich dankte trotzdem, es bis hier geschafft zu haben. Zwar nicht so wie geplant, doch ich habe Alles gegeben. Der Camino bestimmt, wie die Reise ausgeht!! Nicht der Pilger.
"El Camino Proveerá!!"
Etwa eine Stunde saß ich auf den Steinen und schaute ins Unendliche. Revue passieren ging noch nicht. Das waren alles sooo viel Geschichten und es ging weiter.
Auf der Terrasse des Leuchtturmes lernte ich Jose Francisco Galiana Jerez aus Alicante kennen.
Alicante wurde einst von einem türkischen Sultan regiert. Er hieß Ali und soff zu viel Ouzo. Er gab sich quasi jeden Tag die Kante (auf spanisch Cante). Daraus entstand der heutige Name "Alicante".
Das könnt ihr aber auch Googeln!!
Das Kuriosum? Jose war taubstumm und ist 3 Tage nach mir in Saint Jean los gelaufen. Auch er hatte unheimliche Schwierigkeiten mit seinem Knie. Wir verständigten uns mit Papier und Stift, sowie mit Händen, Füßen und Google-Übersetzer. Wir machten Fotos und gaben uns gegenseitig Bierchen aus. Bis 22.00 ist eine lange Zeit.

Er war begeistert von meinen Arbeiten und lachte sich lautlos kaputt. Ich dachte:' Lieber 10 Taubstumme am Tisch, als 3 Germanen.'
Ein toller Typ jedenfalls, mit einer Menge Lebensfreude, trotz Behinderung.
21.00 Uhr ging ich dann los um einen Schlafplatz zu suchen und Abendbrot zu essen. Auf einem riesigen Stein (Schlafes Bruder) richtete ich mein Basislager ein inkl. Schinken, Käse, Brot, Paprika und Rotwein. 'Wenn ich hier runterrolle, überlebe ich das nicht.'

22.00 Uhr ging der rote Klumpen dann unter und es war sooooo geil.

Dann wurde es schnell dunkel , und ich lag allein auf meinem aufgeheizten Granitblock. Sehr angenehm im Rücken.
Der Leuchtturm ging an und das immer wieder kehrende Licht kratzte alle 5 Sekunden an meinem Schlafsack. Etwa 50 Meter unter mir rauschte die Brandung und die Fischer fuhren mit ihren Jollen raus wie kleine Glühwürmchen.
Über mir breitete sich ein unsagbar schönes Sternenzelt aus und so viel Sternschnupfen habe ich noch nie gesehen. Es ist DOCH das Ende der Welt.

Gegen 6.00 Uhr wurde es ungemütlich kühl und windig. Frau Sonne ließ auf sich warten. Um 8.30 Uhr kroch ich dann aus meiner Penntüte und packte meine 8 Sachen zusammen.
Es war die schönste Nacht vom ganzen Camino. Vielen Dank nochmal :-)

Um 11.00 Uhr habe ich mich nochmal in einer Albergue in Finisterre niedergelassenen. Wahrscheinlich mein letzter Stempel im Muttiheft. Heute genieße ich die Sonne und das Meer. Es ist eine gewisse Lebensqualität, die man in Germanien nirgends finden wird. Denn dort geht es nur um Kohle.

Gegenüber der Albergue nistet eine Möwenmutter und erzählt so laut, dass man zum zuhören gezwungen wird. Wunderschön. Nebenan ist noch ein Nest, in dem die Küken schon zu sehen sind.
Ich liebe Möwen, ausser in Brandenburg,
Es sind Küstentiere, doch unsere Müllkippen und unsere Wegwerfgesellschaft locken Sie immer weiter ins Landesinnere. Quasi Wirtschaftsflüchtlinge.

Nun sitze ich schon wieder in der Pinte am Hafen und zosche noch ein Bierchen. Es ist der einzige Ort, an dem die Einheimischen Fischer unter sich sein können. Außer olle Jerdchen stört die Dominogemeinschaft. Hier mal ein typischer Dominotisch aus dem Jahre 12. vor Christus. Ich fühle mich hier Sauwohl und alle lachen einen an, wenn man natürlich selbst lächelt. Es ist nicht schwer!!

Morgen werde ich dann wieder nach Santiago fahren und evtl. mit olle Römer Julio einen Pollo verhaften. Er ist heute angekommen in Komposthaufen.

21.00 muss ich dann zum Airport-Komposthaufen, wo es Richtung Germanien geht.
Am Airport werde ich auch meinen letzten Eintrag in dieses Notizbuch verfassen.
Bis dahin drückt euch euer Jerdchen.

Machts Juut, Nachbarn!!

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Dienstag, 30. Mai 2017
DAS ENDE DER WELT
30.Mai -Weltuntergang

Der Geburtstagsabend war doch noch schön und unterhaltsam. In der Albergue traf ich 2 Mecklenburger Pflanzen und lud sie zu einem Fläschchen Rotwein ein. Sehr nette Mädels aus dem flachen Land. Hauptthema war natürlich Camino und Blasen.
Um 7.30 Uhr humpelte ich zum Busbahnhof und um 9.00 Uhr ging es dann mit Klimaanlage auf volle Pulle Richtung Kap Finisterre. An der Küste entlang und durch Eukalyptuswälder. Hier durften wir die Fenster nicht öffnen wegen der ungezogenen Koalabären.
Nach knapp 3 Std. kamen wir völlig unterkühlt in Finisterre an. Einige mussten mit dem Helikopter in Nahe gelegene Krankenhäuser geschafft werden.
Ich schlug mit einem Eispickel meinen Grünen Klumpen aus dem ewigen Eis und ging Richtung Hafen.
Finisterre leitet sich aus dem lateinischen ab und bedeutet:"Das Ende der Erde." "Finis Terrae."
Es ist geographisch nicht korrekt, doch das ist doch scheiß egal.
Eigentlich ist ja der BER das Ende der Welt.
Für die damaligen Pilger war hier Ende im Gelände. Einige Schlaumeier hatten jedoch Schlauchboote mit und kassierten eine Menge Kohle für eine Überfahrt in den "Goldenen Westen". Oft gerieten die Boote dann in einen Sturm und versanken. Man hat erst vor kurzem Schlauchbootfetzen mit Jacobsmuscheln am Meeresgrund entdeckt. Ein Artikel darüber stand in der "TITANIC"!
Hinter dem Hafen kam das "Castillo de San Carlos". Eine kleine Bastion mit einer niedlichen Fischereiausstellung. Datt war ja watt fürs Jerdchen. Sehr interessant war, wie die Seekarten entstanden, mit Tiefenangaben und einfachem Lot , welches mit Tierfett beschmiert wurde um die Bodenbeschaffenheit zu erkunden.

Dann kam ich an eine Traumbucht und dachte wieder: 'Jerdchen, el Camino Proverrá!' Es soll alles so sein.

Von hinten rief plötzlich jemand meinen Namen und klopfte mir auf die Schulter.
Olle David, der tschechische Weltenbummler. Ein Hammer.

Wir knipsten uns gegenseitig und er musste zum Bus, da morgen sein Flieger geht. Ein feiner Kerl. Weltoffen mit viel Humor und Intelligenz. Wie die Germanen halt :-(
Da drückte es wieder auf die Tränensäcke.
Nachher humpele ich die 3 km zum Kap und sehe mir den Sonnenuntergang an.
Dann penne ich im Freien und sehe mir morgen früh den Aufgang an. Es soll grandios sein.

Fotos poste ich dann morgen!!
Einen schönen Weltuntergang wünscht euch olle Jerdchen.
Machts Juuut, Nachbarn!!!

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