Mittwoch, 31. Mai 2017
DIE GEILSTE NACHT!!
31.5. - Endlich Sonne satt

Das ist also das Ende der Welt. Ich sehe die Pilger im 12. Jahrhundert vor mir, wie sie nieder kniend zum Horizont blicken und sich bedanken, es bis hierher geschafft zu haben.

Kniend ging bei mir nicht, doch ich dankte trotzdem, es bis hier geschafft zu haben. Zwar nicht so wie geplant, doch ich habe Alles gegeben. Der Camino bestimmt, wie die Reise ausgeht!! Nicht der Pilger.
"El Camino Proveerá!!"
Etwa eine Stunde saß ich auf den Steinen und schaute ins Unendliche. Revue passieren ging noch nicht. Das waren alles sooo viel Geschichten und es ging weiter.
Auf der Terrasse des Leuchtturmes lernte ich Jose Francisco Galiana Jerez aus Alicante kennen.
Alicante wurde einst von einem türkischen Sultan regiert. Er hieß Ali und soff zu viel Ouzo. Er gab sich quasi jeden Tag die Kante (auf spanisch Cante). Daraus entstand der heutige Name "Alicante".
Das könnt ihr aber auch Googeln!!
Das Kuriosum? Jose war taubstumm und ist 3 Tage nach mir in Saint Jean los gelaufen. Auch er hatte unheimliche Schwierigkeiten mit seinem Knie. Wir verständigten uns mit Papier und Stift, sowie mit Händen, Füßen und Google-Übersetzer. Wir machten Fotos und gaben uns gegenseitig Bierchen aus. Bis 22.00 ist eine lange Zeit.

Er war begeistert von meinen Arbeiten und lachte sich lautlos kaputt. Ich dachte:' Lieber 10 Taubstumme am Tisch, als 3 Germanen.'
Ein toller Typ jedenfalls, mit einer Menge Lebensfreude, trotz Behinderung.
21.00 Uhr ging ich dann los um einen Schlafplatz zu suchen und Abendbrot zu essen. Auf einem riesigen Stein (Schlafes Bruder) richtete ich mein Basislager ein inkl. Schinken, Käse, Brot, Paprika und Rotwein. 'Wenn ich hier runterrolle, überlebe ich das nicht.'

22.00 Uhr ging der rote Klumpen dann unter und es war sooooo geil.

Dann wurde es schnell dunkel , und ich lag allein auf meinem aufgeheizten Granitblock. Sehr angenehm im Rücken.
Der Leuchtturm ging an und das immer wieder kehrende Licht kratzte alle 5 Sekunden an meinem Schlafsack. Etwa 50 Meter unter mir rauschte die Brandung und die Fischer fuhren mit ihren Jollen raus wie kleine Glühwürmchen.
Über mir breitete sich ein unsagbar schönes Sternenzelt aus und so viel Sternschnupfen habe ich noch nie gesehen. Es ist DOCH das Ende der Welt.

Gegen 6.00 Uhr wurde es ungemütlich kühl und windig. Frau Sonne ließ auf sich warten. Um 8.30 Uhr kroch ich dann aus meiner Penntüte und packte meine 8 Sachen zusammen.
Es war die schönste Nacht vom ganzen Camino. Vielen Dank nochmal :-)

Um 11.00 Uhr habe ich mich nochmal in einer Albergue in Finisterre niedergelassenen. Wahrscheinlich mein letzter Stempel im Muttiheft. Heute genieße ich die Sonne und das Meer. Es ist eine gewisse Lebensqualität, die man in Germanien nirgends finden wird. Denn dort geht es nur um Kohle.

Gegenüber der Albergue nistet eine Möwenmutter und erzählt so laut, dass man zum zuhören gezwungen wird. Wunderschön. Nebenan ist noch ein Nest, in dem die Küken schon zu sehen sind.
Ich liebe Möwen, ausser in Brandenburg,
Es sind Küstentiere, doch unsere Müllkippen und unsere Wegwerfgesellschaft locken Sie immer weiter ins Landesinnere. Quasi Wirtschaftsflüchtlinge.

Nun sitze ich schon wieder in der Pinte am Hafen und zosche noch ein Bierchen. Es ist der einzige Ort, an dem die Einheimischen Fischer unter sich sein können. Außer olle Jerdchen stört die Dominogemeinschaft. Hier mal ein typischer Dominotisch aus dem Jahre 12. vor Christus. Ich fühle mich hier Sauwohl und alle lachen einen an, wenn man natürlich selbst lächelt. Es ist nicht schwer!!

Morgen werde ich dann wieder nach Santiago fahren und evtl. mit olle Römer Julio einen Pollo verhaften. Er ist heute angekommen in Komposthaufen.

21.00 muss ich dann zum Airport-Komposthaufen, wo es Richtung Germanien geht.
Am Airport werde ich auch meinen letzten Eintrag in dieses Notizbuch verfassen.
Bis dahin drückt euch euer Jerdchen.

Machts Juut, Nachbarn!!

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Dienstag, 30. Mai 2017
DAS ENDE DER WELT
30.Mai -Weltuntergang

Der Geburtstagsabend war doch noch schön und unterhaltsam. In der Albergue traf ich 2 Mecklenburger Pflanzen und lud sie zu einem Fläschchen Rotwein ein. Sehr nette Mädels aus dem flachen Land. Hauptthema war natürlich Camino und Blasen.
Um 7.30 Uhr humpelte ich zum Busbahnhof und um 9.00 Uhr ging es dann mit Klimaanlage auf volle Pulle Richtung Kap Finisterre. An der Küste entlang und durch Eukalyptuswälder. Hier durften wir die Fenster nicht öffnen wegen der ungezogenen Koalabären.
Nach knapp 3 Std. kamen wir völlig unterkühlt in Finisterre an. Einige mussten mit dem Helikopter in Nahe gelegene Krankenhäuser geschafft werden.
Ich schlug mit einem Eispickel meinen Grünen Klumpen aus dem ewigen Eis und ging Richtung Hafen.
Finisterre leitet sich aus dem lateinischen ab und bedeutet:"Das Ende der Erde." "Finis Terrae."
Es ist geographisch nicht korrekt, doch das ist doch scheiß egal.
Eigentlich ist ja der BER das Ende der Welt.
Für die damaligen Pilger war hier Ende im Gelände. Einige Schlaumeier hatten jedoch Schlauchboote mit und kassierten eine Menge Kohle für eine Überfahrt in den "Goldenen Westen". Oft gerieten die Boote dann in einen Sturm und versanken. Man hat erst vor kurzem Schlauchbootfetzen mit Jacobsmuscheln am Meeresgrund entdeckt. Ein Artikel darüber stand in der "TITANIC"!
Hinter dem Hafen kam das "Castillo de San Carlos". Eine kleine Bastion mit einer niedlichen Fischereiausstellung. Datt war ja watt fürs Jerdchen. Sehr interessant war, wie die Seekarten entstanden, mit Tiefenangaben und einfachem Lot , welches mit Tierfett beschmiert wurde um die Bodenbeschaffenheit zu erkunden.

Dann kam ich an eine Traumbucht und dachte wieder: 'Jerdchen, el Camino Proverrá!' Es soll alles so sein.

Von hinten rief plötzlich jemand meinen Namen und klopfte mir auf die Schulter.
Olle David, der tschechische Weltenbummler. Ein Hammer.

Wir knipsten uns gegenseitig und er musste zum Bus, da morgen sein Flieger geht. Ein feiner Kerl. Weltoffen mit viel Humor und Intelligenz. Wie die Germanen halt :-(
Da drückte es wieder auf die Tränensäcke.
Nachher humpele ich die 3 km zum Kap und sehe mir den Sonnenuntergang an.
Dann penne ich im Freien und sehe mir morgen früh den Aufgang an. Es soll grandios sein.

Fotos poste ich dann morgen!!
Einen schönen Weltuntergang wünscht euch olle Jerdchen.
Machts Juuut, Nachbarn!!!

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Montag, 29. Mai 2017
ZUM JEBURTSTACH IM KOMPOSTHAUFEN
Mai. Geburtstag und bedingungslose Kapitulation

Ich wusste, dass der gestrige Abend der vorläufige Abschluss meiner Pilgerei sein wird. Meine Knieschmerzen sind unerträglich geworden trotz Spritze, Pillen und 5 kg. Voltaren. Es war ein kleiner Abschluss mit dem finnischen Pärchen, welches ich von Pamplona aus jeden Tag traf.
Eine Apothekerin und ein Autoschrauber und Rallyefahrer. Sehr trinkfest, wie ich feststellen musste. Es sind halt Finnen.
Ihre Sprache ist jedoch der Hammer. So viel habe ich schon lange nicht mehr gelacht. Nach 22.00 Uhr kamen sie nicht mehr in ihre Herberge und mussten rum telefonieren bei strömendem Regen.
Ein sehr netter Kontakt.

In der Albergue traf ich dann noch olle Norman aus Jena, der schon einige Jahre in Zürich lebt. Alles Richtig gemacht, sagte ich zu ihm. Er half mir nach unserem heutigen Geburtstagsfrühstück den Busplatz zu finden und ein Ticket zu besorgen. Er hat Wade und ist auch ein Stück mit dem Bus gefahren.
Ich beschloss, gleich nach Composthaufen zu düsen und dort wie ursprünglich geplant, meinen Ehrentag zu feiern. Für ganze 13 Euronen über "Lugo" nach Santiago. 3 Std. Fahrt.
So kann ich meinem Bein etwas Ruhe gönnen und nochmal ans "Ende der Welt" nach Finisterre fahren.
Ich denke, der Camino wollte das alles so. El Camino Proveerá!!
Bin deswegen nicht allzu traurig, denn es war und ist die unglaublichste und schönste Reise meines Lebens.

Soeben im Busbahnhof eine Waage entdeckt. Rucksack 12 Kilo -Jerdchen 9 Kilo. Bin mit 14 Kilo Körpergewicht gestartet. Wo sind die Vorräte geblieben??
Ein wenig Häme und Schadenfreude kam schon über mich, als ich diese Pilgerpolonaise auf den letzten 100 km im strömenden Regen aus dem beheizten Bus hinterher sah. Ja, die letzten 100 sind der Wahnsinn. Zumal die einheimischen Spanier sich auch noch zu den übrigen Pilgertouristen gesellen. Es gehört hier in jede gute Bewerbung, den Camino gelaufen zu sein. Wenn auch nur diese magischen 100 km.
Angekommen in Komposthaufen fand ich gleich in der Nähe vom Busbahnhof eine Albergue. Sehr nette kleine Herberge und ich gab dem Chef gleich eine Büchse Bier aus zum Birthday.
Dann humpelte ich in die Stadt zur Kathedrale. Traf spontan olle Sabin aus Frankreich, die sich tierisch freute.

Dann sah ich mir die erstaunlich leere Kathrdrale an. Bei olle Jesus blieb ich stehen und betete kurz ein Vater Unser. Das meine Familie gesund bleibt und mein Knie wieder heilt. Ich denke mal, ein wenig hat er mir zugenickt.

Ansonsten ist es natürlich ein sehr mystischer Ort, der vermarktet wird bis zum erbrechen. Sie sahen mich alle an, als wäre ich der Jacobus. Schwer hinkend mit Krücken.

Durfte sogar zum Nebeneingang rein.
Hier hätte ich gern einen Tag im 12. Jhd. erlebt. Da lief alles ruhiger ab als heute.

Danach suchte ich dieses Pilgerbüro um diese blöde alberne Urkunde abzuholen. 90 % Amerikaner und 2 Std. Wartezeit ließen mich wieder gehen. Ich brauche das Ding nicht. Ich bin diesen Weg gegangen, habe von jeder Herberge einen Stempel und das reicht mir. Die Erlebnisse und Erinnerungen sind mir hundertmal wichtiger.

Morgen will ich ans Ende der Welt. Es sind 100 km von hier und der Bus fährt 9.00 Uhr. Dort werde ich wohl bleiben bis Donnerstag. Hier ist mir zu viel Trubel.

Ich melde mich bei euch!!
Machts Juuut, Nachbarn!!

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