Sonntag, 28. Mai 2017
ZAUBERWÄLDER UND NEBELBÄNKE
28.5. Galicien im Nebel und Gewitter

Die Nacht war völlig ok, bis auf etwa 5 angesoffene Jungamerikaner. Wahrscheinlich Pfadfinder, die keine Ahnung haben was sie hier suchen. Überhaupt sind hier so viele amerikanische Blindfische unterwegs, dass man manchmal glaubt, in den Staaten zu wandern. Selbst mit Schulklassen von der HAI-Schkuhl trampeln sie hier lang und besetzen die Herbergen, damit die wirklichen Pilger kein Platz mehr bekommen wenn sie völlig kaputt um 17.00 Uhr eintrudeln.
Sie schicken ihre Rucksäcke vorne weg und schlendern mit einem Fläschchen Wasser den Camino entlang.
Sie sind unheimlich laut und müssen überall zu erkennen geben, aus der Weltmacht Nr.1 zu kommen.
Im Gespräch machen sie dir gleich im 2. Satz klar, dass sie nicht Donald Trump gewählt haben. WER DANN??
Es interessiert sie auch einen Scheiß, wo man herkommt. Du hast gefälligst Englisch zu reden und wenn möglich im Californischen Slang. Oh my Gott, Mr. Präsident. WO FÜHRT DAS ALLES NOCH HIN?
Nach einem Käffchen (Amerikano) humpelte ich den gelben Pfeilen hinterher. Jeder Schritt schmerzte, trotz Voltaren und Pille. Nur allmählich und kurioser Weise bergauf wurde es etwas besser.
Der Weg nach "Sarria" teilte sich und ich wählte natürlich den Kürzeren.
Mad aus "Brighton" begleitete mich ein Stück und gab mir Musiktips zu Keltischen Songs. Er sagte immerzu, dass er den Kanal voll hätte. Nun weiß ich, dass er den Ärmelkanal meinte. Seine Heimat.
Ein bisschen erinnerte er mich an einen Hooligan mit seinem Outfit und ständigem Drang nach Beer.
Ein kleiner Hof in einem 20 Seelendorf lud ein zum Imbis. Obst, Brot, Saft, Kuchen, Kaffee und andere Sachen konnte man vertilgen und geben was man denkt.
Der Betreiber stammt aus Australien und lebt schon 2 Jahre auf dem Anwesen. Ein sehr zufriedener Mensch. Ich hinterließ noch einen Pilgrim im Gästebuch und tippelte mit 2 schwedischen älteren Damen aus Göteborg weiter, da sie mein Schneckentempo hatten.

Wir gingen durch mysteriöse Zauberwälder mit uralten verknorpelten Eichen. Weiter über wunderschöne im Nebel verhüllte Wiesen und Hügel.

Am Wegrand wuchs farbenprächtiger hochgiftiger Fingerhut, von dem ich ein paar Pflänzchen mitnahm. Kann man in Deutschland immer mal gebrauchen.

In "Furela" kam dann endlich eine Pinte und Gerdchen knallte sich erst einmal Schinkenbokadio und ne Molle rein.
Mein Knie hatte auch keine Lust mehr und von hinten kam eine satte Gewitterfront.
Für die restlichen 6 km teilte ich mir mit Erwin ein Taxi und ließ mich in "Sarria " vor dem Hospital rausschmeißen.
Mit meinem Googleübersetzer machte ich dem Pförtner klar, dass ich eine Spritze haben möchte. Der Doktore kam, sabbelte irgend etwas auf Spanisch und die Schwester knallte mir im stehen eine Spritze in den Arsch. Rucki, zucki war ich aus der Ambulanz und bedankte mich tausend mal. So hoffe ich, wenigstens meinen morgigen Geburtstag gut zu überstehen.
Außerdem bin ich recht froh, in der Albergue zu sein und im trockenen. Draußen ist Weltuntergang mit etwa 2389 Litern auf den qm. Also alles richtig gemacht, Jerdchen. Wäsche oooch noch jewaschen.


Morgen werden dann bis 16.00 Uhr Gratulationen und Wünsche entgegen genommen.
Machts Juuut, Nachbarn!!!

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Samstag, 27. Mai 2017
GA - LI - CI - EN
27.5. und 27. Tag

Der Abend in der Albergue "La Magdalena" war wieder der Hammer. Die Chefin (Italienerin aus Venedig) lud uns alle zum Abendessen ein. Pasta mit lecker Pampe dazu. Da wir nur 5 Leute waren, war es eine wunderbare Runde. Ein Pärchen aus Brasilien, Mutter und Tochter aus Taiwan und Icke. Wir unterhielten uns mit Händen und Füßen und ein kleiner Pilger gehörte natürlich auch ins Gästebuch. Der Rotwein ist sowieso der Börner.
Der Oberbörner aber war mein Zimmer. 8 Betten und 7 davon leer. Ich hatte ein ganzes Zimmer für mich und habe geschlafen wie ein Gott. Quatsch, wie Jesus.


7.30 Uhr gab es einen Kaffee Americano und ich verließ bei Sonnenschein "Vega de Valcarce".

Unterwegs sammelte ich olle Nicolas aus Kiel ein und wir schlichen gemeinsam über den Camino. Schleichfahrt war angesagt wegen der Knieschmerzen. Bergauf ging besser als bergab. Päuschen war in jedem Örtchen angesagt mit Bierchen und Snack. Es ging mächtig bergauf und wir kamen an den Grenzstein zu "Galizien".

Galizien besteht aus 4 Provinzen. GA - LI - CI und EN, wobei GA die schönste ist. Man kommt sich vor wie in der Eifel oder in Thüringen. Nur das Klima ist angenehmer.

Die Kelten spielten in Galicien eine große Rolle. In "O Cebreiro" kann man noch ovale Häuser mit Strohdach sehen, wo Kelten einst wohnten. Seit 45 vor Christus wurden die Winter immer Kelter, durch den El Nino. So beschlossen die Kelten, wieder zu zelten. Die Miete viel damit weg und man hatte wieder mehr Kohle zum Met pumpen. Somit wurden die ovalen Buchten umfunktioniert zum Museumsdorf "Kelten-Welten"!!

In "Hospital de la Condesa" wollte mein Knie nicht mehr und sagte zu mir: "Alter, nehm die Hippe bis Triacastela!!" Gesagt, getan und nun sitze ich mitten in GA und wir trinken ein Bierchen mit Eric aus Leon und Anais aus der Provence. Ich fragte Anais ob ich ein Foto von ihr machen darf, da ich sie zeichnen möchte. Sie stimmte zu und ich war überglücklich. Per Mail bekommt sie eine Kopie von mir. Versprochen.

Das ist der Camino.
Morgen kämpfe ich weiter.
Mein großer André ist heute wieder nach Hause gekommen. Nach 5 Monaten Indien hat er sicherlich mehr zu berichten, als Papa. Das wird ein Wiedersehen. Werde nochmal anrufen.
Bis morgen, ihr Lieben.
Machts Juuut, Nachbarn!!!

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Freitag, 26. Mai 2017
WIEDER IM ZEITPLAN
26.5. nach Starkregen, schweren Gewittern und Knie, mit Theo nach "Vega de Valcarce" geflüchtet.

Heute habe ich die Drohung war gemacht, und um 41 km beschissen. Klitschnass habe ich mich nach 16 km in "Camponaraya" entschieden, mit dem Schwarztaxi (Theo der Taximann) nach "Villafranca del Bierzo" zu düsen. Theo bot mir an, mich für einen unglaublichen Preis gleich bis nach "Vega de Valcarce" zu fahren.
Das ist Camino und so etwas erlebt man nicht 2 x im Leben. Warum sind wir Deutschen nur solche humorlosen, geldgeilen, neidischen und gierigen Stinkstiefel?
Gestern habe ich mich wieder geschämt, ein Germane zu sein. Abends kam ich aus der Stadt und wollte noch eine Kleinigkeit essen. 2 Typische, etwa 55 Jahre alte Germanen, mit weißen Socken, Sandalen und albernem Ohrring fragte ich, ob ich mich dazu setzen darf. Sie sahen sich etwa 2 Stunden an und sagten schließlich: "Na gut!"
Sie sprachen nicht ein Wort mit mir. Nicht einmal Prosit zum Vatertag. Nur ein einziges Lästern über die häßliche Neustadt. "Irgendwo müssen Sie ja wohnen, die Spanier!"
Was bilden wir Deutschen uns eigentlich ein, wer wir sind? Ekelerregend. Sie standen irgendwann auf und ich musste meinen Blutdruck in Normalposition bringen. Man müsste ihnen 20 zerknüllte 50 Euroscheine in den Arsch stecken, bis sie platzen.
Nie wieder an einen Germanentisch.

Abends lernte ich auf meinem Zimmer olle Lisandro aus Cordoba-Argentinien kennen. Ein wunderbar lustiger Typ, trotz Gehbehinderung. Ihn hatte es noch schlimmer erwischt. Er hat Knöchel und ist wahrscheinlich 5 Tage ausser Gefecht.
Wir tranken zusammen Bierchen und schmissen uns weg über unsere Eisbeutel. Er ist Fotograf und war begeistert von meinen Cartoons.

Die beiden Herbergsdamen hatten extra ein neues Gästebuch besorgt in dem ich als Erster eine Pilgerzeichnung hinterlassen sollte. Sie freuten sich tierisch darüber und drückten mich herzlichst, als ich mich verabschiedete.

Nun sitze ich hier in einer kleinen niedlichen Herberge am Fuße der Berge und pflege mein Knie noch etwas.

Terminlich bin ich nun wieder auf dem aktuellen Stand und hoffe, die restlichen Etappen zu bewältigen.
Heute Abend kochen wir zusammen und singen schmutzige Lieder mit Gitarre ;-)
Ich genieße jede einzelne Minute in diesem wundervollen Land mit diesen stink normalen Menschen.
El Camino Proveerá!!!
Machts Juut, Nachbarn!!

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